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Dr. Annika Schoemann

  "desperately sought!" 

   DE / EN

Dr. Mathias Listl

  "An Attempt at an Approach in Five Steps" 

   DE / EN

Andreas Baur

  "Caught in rooms for interpretation" 

   DE / EN

Sven Beckstette

  "JAK of all trades—on the relationship of screenplay, props, and setting in the film Soul Blindness by atelierJAK" 

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Dr. Ulrike Pompe-Alama

  "Soul Blindness—perception stripped off its meaning" 

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Nils Büttner

  "active competition, or: simply JAK"

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Dr. med. Julia Ehmer

  "psychiatric report about JAK"

  DE / EN

Arztbericht 30. Dezember 2010

Dr. med. Julia Ehmer

Ärztin, psychiatrische Gutachterin

 

Zusammenfassung :

Im November 2010 kam JAK erstmalig zum Explorationsgespräch. Danach folgten weitere Termine. Diese ersten Gespräche mit Jak wurden zur genauen Anamnese-Erhebung und zur Diagnostik genutzt. Auf projektive Tests sowie auf eine neurologische und somatische Untersuchung wurde bisher verzichtet.

 

Schon zu Beginn der 2. Sitzung mit JAK fiel auf, dass sein Habitus, seine Mimik und Gestik und sein sprachlicher Ausdruck sehr verändert waren. Auf Nachfrage gab er an, aus Korea zu kommen. Er sprach mit dem passenden Akzent und sein sprachlicher Ausdruck war nicht mehr so flüssig wie bei dem ersten Explorationsgespräch. Auch hatte er beim 2. Termin andere Vorlieben und Verhaltensweisen, jedoch ein ähnliches Alter und das gleiche Geschlecht, wie die Persönlichkeit des ersten Termins. Auffallend war weiter, dass er eine völlig andere Lebensgeschichte erzählte. 

In der dritten Sitzung erzählte er wiederum eine völlig andere Herkunftsgeschichte, benannte andere Vorlieben und völlig andere Verhaltensweisen, zeigte eine andere Mimik und Gestik und sprach mit wieder in einem anderen Akzent. Der sprachliche Ausdruck war hier wiederum stockend. Er gab an, dieses Mal aus Litauen zu stammen. 

In weiteren Sitzungen mit Jak wiederholten sich immer wieder diese 3 Erscheinungs- oder Auftretensweisen. 

Bisher konnten mindestens 3 Persönlichkeitszustände unterschieden werden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass JAK noch weitere Teilidentitäten aufweist. 

Jede der Persönlichkeiten hatte ein relativ zeitüberdauerndes Wahrnehmungsmuster im Bezug auf ihr Denken über die Umwelt und sich selbst und ein entsprechendes Verhalten.

In ihrer Identität, ihrer Lebensgeschichte, ihrer Intro- bzw.  Extraversion und ihrem Umgang mit Affekten unterscheiden sich die 3 Teilpersönlichkeiten deutlich voneinander. 

Allen 3 Teilpersönlichkeiten können verschiedene Charaktereigenschaften zugeordnet werden. So gibt es beispielsweise einen Persönlichkeitszustand, der eine sehr kritische Stimme darstellt, viel hinterfragt und sein Handeln sowie sein persönliches Schaffen einer starken Realitätsprüfung unterzieht. 

Ein weiterer identifizierbarer Identitätszustand von JAK handelt intuitiv und spontan und scheint seine Handlungen nur für einen relativ überschaubaren Zeitraum voraus zu planen. Dieser JAK gibt an nur die nächsten 2-3 Monate im Blick zu haben. Eine eindeutige Vergangenheit in der Kindheit lässt sich bei dieser Teilidentität nicht eruieren. Auch die Zukunft scheint ungewiss. Zudem konnte noch eine weitere Teilidentität ausgemacht werden, die sich sprachlich flüssig ausdrücken kann, verbal stark ist und „kopfbetont“, bzw. überlegt handelt.

Durch die eindeutige Identifikation von diesen drei Teilidentitäten oder Persönlichkeitszuständen, die wiederholt die Kontrolle über das Verhalten von JAK übernehmen, lässt sich die Verdachtsdiagnose: dissoziative Identitätsstörung stellen. 

 

Der Begriff dissoziieren bedeutet trennen oder auflösen. Dissoziation bezeichnet hier den Prozess, in dem man Teile des Erlebten von anderen inhaltlich trennt, wenn das Erlebte ein Übermaß an Angst, Schmerz oder Trauer verursacht.

Charakteristischerweise bildet ein in der frühen Kindheit erlebtes schweres Trauma die Grundlage, bzw. den möglichen Auslöser für den Beginn der Erkrankung. Bei JAK konnte dieses Trauma bisher nicht ausgemacht werden. Bei einer seiner Teilpersönlichkeit jedoch ist hochgradig auffällig, dass sie sich nicht an Erlebnisse vor der Pubertät erinnern kann. Hier könnte ein Schlüssel zur Ursache der Dissoziationen liegen, dies bleibt bisher jedoch spekulativ.

Der Zeitpunkt der frühen Traumatisierung in der Kindheit gilt als Beginn der Aufspaltung in verschiedene Persönlichkeitsanteile. Die Betroffenen entwickeln einen Mechanismus, um dem Schmerz zu entfliehen: Sie trennen das reale Geschehen vom Bewusstsein ab und denken sich so aus der Situation hinaus. Dieser Prozess geschieht unbewusst und lässt sich nicht steuern. Um die wiederholte Traumatisierung überstehen zu können, spalten sich die Betroffenen in zwei oder mehr Identitäten auf: Jede Identität übernimmt bestimmte Funktionen in den jeweiligen Situationen und kann in einer ähnlichen Situation wieder zum Vorschein kommen. Es entwickelt sich ein System von Teilpersönlichkeiten, die alle ihre Aufgaben haben. 

Die unterschiedlichen „Personen“ könnten dem Zweck dienen, sich an widersprüchliche Umwelt- und Überlebensbedingungen anzupassen. Häufig finden sich Teilpersönlichkeiten mit bestimmten Aufgaben, etwa Schutzpersonen, Kontrollpersonen und Personen, welche die täglich anfallende Routine erledigen. Die dissoziierte Persönlichkeit kann Dinge ausleben, die eigentlich tabuisiert oder verdrängt sind. Sie kann in Bezug auf Herkunft, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung etc. das Gegenteil des ursprünglichen Persönlichkeitszustands darstellen. 

Wie bei JAK das System der Teilpersönlichkeiten funktioniert ist noch nicht eindeutig geklärt. Auch eine eindeutige Primärpersönlichkeit konnte bisher nicht bestimmt werden. In der Zusammenschau erinnert das bisher explorierte System an das Freudsche Modell mit ICH, ES, ÜBER-ICH, wobei mit ES Jaks intuitive, unbewusste und spontane Anteile gemeint sind. AUCH KOPF-HERZ/BAUCH und KONTROLL-STIMME wäre ein plausibles Modell. Jedes Modell erscheint aber bisher zu einfach und trägt den kulturellen Unterschieden sowie den Gemeinsamkeiten und dem Ausdruck durch die Kunst zu wenig Rechnung.

Anzumerken bleibt auch, dass bisher keine Komorbiditäten wie Depressionen, Ängste. Zwänge oder selbstverletzendes Verhalten diagnostiziert werden konnten. Auch lässt sich die Dissoziation nicht auf Alkohol- oder Drogenkonsum zurückführen.

Therapievorschlag: 

Es konnte noch nicht ausreichend festgestellt werden, ob JAK durch seine dissoziative Identitätsstörung in seinem Alltag und in seiner Arbeit eingeschränkt ist. Auch konnte kein ausreichender Leidensdruck festgestellt werden, der ihn zu einer Therapie motivieren könnte.

Eine mögliche Therapie, sofern JAK sich darauf einlassen möchte, wäre das langsame Vertrautmachen und die Kooperation der Teilidentitäten untereinander. Teilweise scheinen die Teilidentitäten schon voneinander zu wissen und zu kooperieren, zeitweise scheint eine Spaltung der Persönlichkeiten ohne gegenseitigen Austausch vorzuliegen. 

Therapieziel: Verschmelzung und Integration aller Teilidentitäten

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