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Dr. Annika Schoemann

  "desperately sought!" 

   DE / EN

Dr. Mathias Listl

  "An Attempt at an Approach in Five Steps" 

   DE / EN

Andreas Baur

  "Caught in rooms for interpretation" 

   DE / EN

Sven Beckstette

  "JAK of all trades—on the relationship of screenplay, props, and setting in the film Soul Blindness by atelierJAK" 

   DE / EN

Dr. Ulrike Pompe-Alama

  "Soul Blindness—perception stripped off its meaning" 

   DE / EN

Nils Büttner

  "active competition, or: simply JAK"

   DE / EN

Dr. med. Julia Ehmer

  "psychiatric report about JAK"

  DE / EN

JAK – VERSUCH EINER ANNÄHERUNG IN FÜNF SCHRITTEN

 

Dr. Mathias Listl
Digital Content Management, Kunsthalle Mannheim

 


JAK – nur diese drei, ohne Abstand aneinander gereihten Großbuchstaben. Mit Ausnahme des immer wieder auftauchenden, aber ebenfalls nicht weiter hilfreichen vorgestellten Zusatzes „atelier“ geben keine weiteren Angaben Aufschluss über den oder die Künstler beziehungsweise Künstlerinnen eines ganzen Kosmos an Arbeiten in unterschiedlichsten Gattungen, Größen, Medien und Materialien. Was aber bedeutet JAK, was steckt hinter dieser Bezeichnung? Ist es der Name eines Künstlers – warum fehlt dann aber ein ergänzendes „E“ oder „K“, das die drei Versalien zu einem bekannten Vornamen machen würde. Oder verbirgt sich dahinter ein Kürzel, das auf eine oder mehrere reale Personen verweist?
 

Ganz bewusst spielt JAK mit dieser, auch hier nicht weiter aufgeschlüsselten Irritation, die in direktem Gegensatz zum Kult um die individuelle Handschrift und Ausdrucksform steht, wie er nicht nur die Wahrnehmung von Kunst, sondern auch den Handel mit ihr von der Frühen Neuzeit bis heute entscheidend prägt. Zu stark ist auch für uns noch immer die künstlerische Produktion mit der Vorstellung von dem allein vor sich hin arbeitenden Genie verbunden, als dass wir diese sich bei JAK unweigerlich einstellende Verwirrung einfach beiseite wischen könnten – auch wenn derartige Künstlersynonyme heute keine Seltenheit mehr sind. Ähnlich wie bei den seit den 1950er Jahren bereits vielfach stattgefundenen Versuchen, ein „Werk ohne Autor“ zu schaffen, so ist es auch in diesem Fall erklärtes Ziel, nicht die Person des Künstlers oder der Künstlerin, sondern im Umkehrschluss vielmehr deren Schaffen in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken und ihm die volle Aufmerksamkeit zu teil werden zu lassen.
 

Da eine Annäherung über den oder die Künstler*innen also hier nicht weiterführt und schließlich in einer Sackgasse endet, gilt es, JAK stattdessen über – genau – das Werk – das übergeordnete Œuvre wie auch das einzelne Kunstobjekt – zu lesen und nach und nach verstehen zu lernen, wenn auch nicht immer vollständig zu begreifen. Ähnlich wie bei der Frage nach dem oder den Künstlerindividuen stößt man hier aber auf die nächste Hürde, die einen allzu leichten Zugang verwehrt. Denn auch hinsichtlich der Eigenständigkeit der einzelnen Werke von JAK ist eine derart klare Abgrenzung, inwieweit das jeweilige Objekt als autonome, für sich stehende Ausdrucksform zu gelten hat, letztlich nicht zu ziehen. Zu klar binden übergreifende Überlegungen, Spiele mit Ebenen, Abhängigkeiten und Bezügen die einzelnen, in ganz unterschiedlichen Medien und Materialien gefertigten Arbeiten fest aneinander. Gleichzeitig behält das Kleine im Großen aber immer seine autonome Ausdrucksfähigkeit und kann – ohne den übergeordneten Zusammenhang gesehen – auch für sich selbst bestehen. Dieses nur scheinbare Paradoxon zeigt sich besonders prägnant an der Gruppe der Indiscribable Scenes, deren kleinste, nahezu mikroskopische Einheit langrechteckige, nur wenige Zentimeter messende Kuben aus Epoxidharz bilden. In ihrem Inneren bergen diese transparenten, tatsächlich genau der Größe gläserner Objektträger von Mikroskopen entsprechenden Kleinstobjekte jeweils eine auf Overheadfolie gemalte Acrylminiatur. Diese filigranen Fingerübungen stellen wiederum den gedanklichen Ausgangspunkt eines anderen Werkkomplexes dar. Die auf ihnen festgehaltenen Szenerien sind nämlich Entwürfe für Filmszenen und verweisen auf das in diesem Medium angesiedelte, von JAK seit 2013 kontinuierlich verfolgte Projekt Soul Blindness, auf das Annika Schoemann in ihrem Essay im Detail eingeht. Parallel dazu gehen die einzelnen Epoxidharzkuben mitunter aber auch mit ihren Artgenossen eine Verbindung ein und schließen sich zu den unterschiedlichsten, von Präsentation zu Präsentation auch immer wieder neu zusammengesetzten Formationen zusammen. Wie Kristalllüster, die nicht nur aus weißen, sondern aus verschiedenfarbigem Glaselementen bestehen, können diese Gefüge von der Decke herabhängen oder in kompakterem Verbund als skulpturales Objekt vom Boden emporwachsen. Aber der Weg vom Kleinen zum Großen ist keine Einbahnstraße. Dass auch die umgekehrte Richtung von JAK begangen wird, zeigen etwa einzelne Requisiten des genannten Filmprojektes, die – aus diesem Zusammenhang isoliert und in überdimensionale Form gebracht – als autonomes Kunstwerk in Erscheinung treten können. Ähnliches gilt schließlich auch für die Werkgruppe I, deren einzelne Arbeiten sich aus dem minutiösen Aneinanderfügen von hauchdünnem, exakt in die jeweils gewünschte Position gebrachtem Aluminiumpapier ergeben. Die Ausgangsbasis dieser hochkant nicht auf den schwarzen Grund, sondern auf ihre Verglasung gesetzten Kompositionen, die gerade durch diesen Kunstgriff eine extreme räumliche Tiefenwirkung entwickeln, bilden dabei wiederum Kulissen, Protagonisten oder Requisiten, die dem Film Soul Blindness entstammen. Die Frage, welches Einzelwerk welches andere bedingt, was aus was hervorging, ist aber oftmals müßig zu beantworten und letztlich unerheblich vor dem finalen Ergebnis eines sich gegenseitig durchdringenden, jederzeit mit neuen Ablegern und Ausspielungen zu erweiternden Gesamtœuvres von JAK.                  
 

Was bereits anhand der wenigen gerade genannten Arbeiten deutlich wird, ist ein weiteres wesentliches Charakteristikum in dessen – oder deren? – Schaffen. Neben dem Hin und Herspringen zwischen unterschiedlichen künstlerischen Gattungen – von der illustrativen Zeichnung und Malerei über skulpturale bis installative, textbezogene wie auch kinetische Arbeiten bis hin zum Film – ist dies nicht zuletzt auch das Experimentieren mit unterschiedlichen Materialien und handwerklichen Techniken wesentliches Merkmal von JAK. Denn keramische Objekte, Fotografien, Licht und Sound kommen genauso immer wieder zum Einsatz wie das schon erwähnte, filigran aneinandergefügte Aluminiumpapier, Holz, Acrylglas oder – als Ausgangsmaterial für schriftbasierte Arbeiten – gedruckter, meist entscheidend weiterbearbeiteter Text. So entzieht sich JAK nicht nur durch seinen verunklärenden und auf manche falsche Fährte lockenden Namen, sondern vor allem auch durch die Vielseitigkeit und Wandelbarkeit seines künstlerischen Ausdrucks einer allzu leichten Kategorisierung und eindeutigen Zuordnung.
 

Diese fehlende Eindeutigkeit und unklare Zuweisung ist schließlich auch in der immer wieder thematisierten und auch im Titel dieser Ausstellung aufgegriffenen Soul Blindness greifbar, die wie ein roter Faden das Œuvre von JAK durchzieht. Dieser mit Seelenblindheit zu übersetzende Krankheitszustand beschreibt eine kognitive Störung, deren Patienten zwar einen visuellen, auditiven oder olfaktorischen Sinneseindruck wahrnehmen, diesen aber nicht die jeweils angestammte, allgemein zugeordnete Bedeutung oder Bezeichnung zuweisen können. An diesem, in der Fachsprache als assoziative Agnosie beschriebenem Krankheitsbild leidet nicht nur der Hauptprotagonist des Filmprojekts Soul Blindness. Auch wir als Betrachter der Arbeiten von JAK – so scheint es – werden in diesen Zustand der permanenten Unklarheit und Unkenntnis über unsere Sinneseindrücke versetzt. Vieles gerät  nicht nur bei ihrem Betrachten oder Betreten ins Schweben, ein Eindruck, der in den installativen Arbeiten oftmals etwa durch den Einsatz von Spiegeln, einem starken Grünton oder einer ausgeklügelten Lichtregie zusätzlich verstärkt wird. Aber auch beim genaueren Reflektieren über die Werke von JAK gerät man in allzu undeutliche Gefilde. Die beschriebenen Zwischen- oder Graubereiche vermeintlich klarer, plötzlich aber ins Schwanken geratender Definitionen künstlerischer Produktions- und Arbeitsweisen tun sich vor einem auf und erzeugen Fragen, die an Wesentlichem rütteln.
 

So ist es letztlich gerade diese Undeutlichkeit, das Verwischen und Negieren allzu leichter Verständlichkeit und das Verharren in beziehungsweise Ausloten von Zwischenbereichen, das JAK auszeichnet. Dazu gesellt sich gleichzeitig eine über die Jahre hinweg äußerst konsequent durchgehaltene konzeptuelle Strenge und Klarheit, die ein derart komplexes, mit zahlreichen Querverweisen ineinander verwobenes Werk erst ermöglicht und entstehen lässt. Auch wenn sich JAK nicht eindeutig entschlüsseln lässt, so nähert man sich seinem Kosmos also vielleicht am besten genau in dieser Unschärfe und Uneindeutigkeit an.   

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